Manchmal vergeben Eltern mehr als nur einen Vornamen an ihre Kinder – eine Forscherin erklärt warum

ESRA AYARI
Berlin. Manche Menschen haben einen, manche haben zwei und andere sogar drei, vier oder manchmal noch mehr. Und zumindest den ersten davon bekommt man ziemlich oft zu hören. Weißt du, was damit gemeint ist? Worum geht es? Die Antwort lautet: Namen!
Gabriele Rodriguez ist Namenforscherin aus der Stadt Leipzig. Sie sagt: In Deutschland trägt etwa die Hälfte aller in den vergangenen Jahren geborenen Kinder einen einzigen Vornamen. Die andere Hälfte hat zwei oder sogar noch mehr Namen.
Das ist aber nicht überall auf der Welt so. In Spanien etwa dürfen Kinder in der Regel nicht mehr als zwei Vornamen haben. Denn in Spanien haben eh alle schon zwei Nachnamen, einen von der Mutter und einen vom Vater. Das würde sonst alles ziemlich lang. Auch in Italien und Frankreich haben Kinder meist höchstens zwei Namen. Und in der Türkei tragen die allermeisten Mädchen und Jungen nur einen Vornamen. Richtig lang aber können Namen in manchen arabischsprachigen Ländern werden. Dort werden sogenannte Namensketten gebildet. Die Menschen tragen dann zu ihrem eigenen Namen zusätzlich den Namen des Vaters, der Mutter oder der Großeltern.
Wie Vornamen vergeben werden, hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Früher etwa waren die Menschen viel religiöser. Das hatte auch einen Einfluss auf die Namensvergabe. „Damals wurden Neugeborene oft in den Schutz von Heiligen gestellt“, sagt Expertin Gabriele Rodriguez. Dann bekamen sie neben dem Rufnamen oft noch einen Zweitnamen, den Namen eines Heiligen oder einer Heiligen. Bei Jungs war das zum Beispiel der Name Martin und bei Mädchen etwa Agnes.
Außerdem hatten viele Babys einen Taufpaten. Da war es üblich, dass die Kinder auch noch den Namen der Paten bekamen. So wird es auch heute noch manchmal gemacht, wenn Kinder in der Kirche getauft werden. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor
75 Jahren änderte sich aber vieles. Die Namensvergabe wurde viel freier. Eltern suchten zum Beispiel auch häufiger Namen aus, die nichts mit der Religion zu tun hatten.
Auch heute geben Eltern ihren Kindern gerne mehrere Namen. Das hat aber weniger mit Religion zu tun. Viele Kinder haben heute sehr kurze Namen, wie beispielsweise Finn oder Ben bei Jungen oder Mia und Marie bei Mädchen. Weil die Rufnamen so kurz sind, kriegen sie dann oft einen zweiten Namen. Wichtig für die Eltern sei dabei vor allem ein guter Klang, also dass die Namen sich zusammen schön anhören, sagt Gabriele Rodriguez.
Hinzu kommt heute: Jedes vierte Kind in Deutschland hat Eltern, bei denen entweder die Mutter, der Vater oder beide nicht in Deutschland geboren sind. In diesen Familien werden oft Namen vergeben, die sonst eher in anderen Ländern vorkommen. Gabriele Rodriguez kennt dazu eine eher ungewöhnliche Geschichte: In einer Familie hatte die Mutter deutsche Wurzeln und der Vater türkische. Die Eltern wollten ihrem Sohn als Zweit- und Drittnamen die Namen der beiden Großväter geben. Der eine Großvater des Kindes hieß Mohammed, der andere Franz. Weil das dann aber doch sehr lang geworden wäre, entschieden sich die Eltern für eine Kombination der Namen – und zwar: Framo.
Weser Kurier 26.11.20